Gottesdienst

Sonntag, 4. August 2024
Oberwang, Konradkirche

KONRADFEST

11:00 Uhr: Gottesdienst

Eintritt frei

Zelebrans: Erzabt Dr. Korbinian Birnbacher / Erzabtei St. Peter, Salzburg

Akos Banlaky, Lukas Haselböck, Sebastian Taschner, Wolfram Wagner (Komposition)
Pasticciomesse (2024), Uraufführung

Proprium / weitere Messgesänge im Gregorianischen Choral

musikalische Gestaltung durch die beiden Vokalensembles:
Wiener Komponistenquartett (Akos Banlaky, Lukas Haselböck, Patrick Kühn, Wolfram Wagner)
Graces and Voices (Jasmin Vorhauser, Laine Tabora, Aliona Pietrowskaja, Antanina Kalechyts, Adrija Cepaite)

Erzabt Dr. Korbinian Birnbacher

Predigt
Sir 51,1-8 Joh 6, 24-35

Liebe Künstlerinnen und Künstler, Schwestern und Brüder im Herrn!

Wir begehen diesen feierlichen Gottesdienst in Erinnerung an den 30. Abt von Mondsee und Märtyrer Konrad II. Bosinlother. Er wurde vor dem Jahr 1100 im Rhein- bzw. Moselland geboren und kam am 15. Jänner 1145 in Oberwang bei dieser Kirche ums Leben.

Und wir feiern diesen Gottesdienst auch in Erinnerung an die am 17. März 1922 in Moskau geborene und am 28. November 1995 in Wien verstorbene Künstlerin Lydia Roppolt. Sie studierte bei Sergius Pauser, Herbert Böckl und Albert Paris Gütersloh an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Ihre erste große Arbeit realisierte Lydia Roppolt in Freskotechnik in der frühgotischen Marienkapelle des Stiftes St. Peter in Salzburg. Dies ist der Grund, weshalb ich heute hier sein darf.

Die Biographie des Seligen Abtes Konrad von Mondsee ist für einen gebildeten und aufgeklärt kritischen Menschen der Gegenwart herausfordernd. Denn das, was wir gemeinhin über diesen Abt von Mondsee wissen, ist in Wirklichkeit viel Propaganda und Legende. Merkwürdig, dass es hier zwei verschiedene Legendenbildungen gibt. Die eine, die ihn zu einem Heiligen und Märtyrer hochstilisiert, der sich für die Rechte der Kirche eingesetzt und die Güter des Klosters vorbildlich gepflegt hat. Der andere Legendenstrang gründet höchstwahrscheinlich in der Reformationszeit des 16. Jahrhunderts und will geradezu als Antilegende Konrad als katholischen Bauernschinder hinstellen. Beide Legenden sind in hohem Maße unrichtig und werden der Person dieses Abtes nicht gerecht. War es nur ein Unfall, ein Totschlag oder gar Mord? Können wir hier überhaupt von einem christlichen Martyrium sprechen?

Ich glaube, wir müssen hier sehr vorsichtig sein und bei den wirklichen, historischen Fakten bleiben. Und die sind – wie könnte es in einer so frühen Zeit des 12. Jahrhunderts anders sein? – äußerst dürftig. Lassen Sie mich einen anderen Ansatz finden. Seit seiner Gründung im Jahre 748 war das Kloster Mondsee abhängig … zuerst von den bayerischen Herzogen, dann von den Bischöfen von Regensburg, denen dieses Kloster als Eigenkloster übergeben wurde. Obwohl nicht ganz frei, hatte es die Abtei am Mondsee zu einem gewissen Wohlstand gebracht und – damit verbunden! – auch zu einer gewissen Behäbigkeit gefunden. Nach dem Niedergang der vita regularis in den alten Klöstern der Reichsklosterreform entwickelte sich im 11./12. Jahrhundert über die Hirsauer Reform, die nun vor allem von Admont ausging, in den umliegenden Klöstern Kremsmünster, Lambach und St. Peter wieder neues, blühendes Leben. Nur in Mondsee konnte man sich dazu noch nicht so recht aufraffen. Das mühsam Erwirtschaftete ging in erster Linie an den bischöflichen Eigenherren nach Regensburg. Kein Wunder, dass sich die Mönche von Mondsee nicht gerade riesig freuten, als ihnen ihr Eigenherr, Bischof Kuno von Regensburg (1126-1132), der vorher Mönch und Abt von Siegburg bei Bonn war, in Abt Konrad einen Fremden, ja einen Mönch vom Rhein-Moselgebiet, als Oberen aufoktroyierte. Bischof Kuno hat das sicherlich in guter Absicht gemacht, denn als Abt von Siegburg kannte er seinen Mitbruder Konrad, der dort Mönch war, gut. Es ist eine besondere Auszeichnung für Mondsee gewesen, einen Vertrauensmann des Bischofs hierher zu versetzen. Aber Bischof Kuno und noch viel mehr Abt Konrad selbst stießen auf Widerstand.

Konrad war ca. 18 Jahre Abt von Mondsee, dann wurde er gewaltsam aus dem Leben gerissen. Wer es war und warum es geschah, liegt im Dunkeln. Aber allein die Tatsache, dass er 18 Jahre lang die Gemeinschaft leitete, deutet schon darauf hin, dass es nicht so einfach ist, die ganze Geschichte als eine Reform-Verweigerung der konservativen Mönche von Mondsee hinzustellen. Quasi so, als konnte und wollte man auf Wohlstand und liebgewordene Gewohnheiten nicht so einfach verzichten. War Abt Konrad ein Mann, der zäh auf etwas hinarbeitete, so dass er erneut auf Widerstand stieß? Oder war es so, dass seine mittlerweile 18-jährige Regierung Abnützungserscheinungen aufwies?

Ich deute das mutmaßliche Martyrium Konrads weniger als einen Konflikt um Grundstücksgrenzen und Ernteerträge, sondern vielmehr als eine Auseinandersetzung der unterschiedlichen Mentalitäten, die hier aufeinanderprallten: Hier die rheinische Frohnatur und dort der etwas rustikalere Menschenschlag der Mondseer Hörigen.

Was ist von Konrad geblieben? Was tun wir, wenn wir ihn heute hier verehren? Seine Gebeine sind prachtvoll bestickt am Hochaltar der ehemaligen Stiftsbasilika Mondsee sitzend ausgestellt. Bringt uns das heute geistig-geistlich weiter? Sein Grabmonument befindet sich ebenfalls dort an einem Pfeiler der Basilika. Und schließlich das Totenbrett, das auf wundersame Weise nicht verbrannte, als die Spuren dieses Mordes vertuscht werden sollten. Wir können es hier in der Konradskirche dort oben links vom Hochaltar sehen. Diese Kirche hier in Oberwang, die ursprünglich dem heiligen Mönchsvater Martin geweiht war, zählt heute zu den ältesten Kirchen des Landes.

Diese Konrads-Kirche hat Lydia Roppolt geliebt und künstlerisch in unvergleichlicher Weise ausgestaltet. Hier hatte sie ihr Atelier, hier lebte sie in der von P. Jakob Reimer, dem späteren Erzabt von St. Peter, 1918 im Seitenstettenerhof in Wien gegründeten benediktinische Laiengemeinschaft. Hier schöpfte sie Kraft und Inspiration für ihr künstlerisches Schaffen und ihr sakrales Werk. Hier sollte sie nicht nur die Grablege für ihre geliebte Zieh-Mutter Emma Roppolt gestalten … sondern schließlich auch selbst begraben werden.

Wir haben heute einen Abschnitt aus dem 51. Kapitel des Buches Jesus Sirach, also der Weisheitsliteratur Israels, und eine Perikope aus dem 6. Kapitel Johannes-Evangelium gehört. Diese beiden Texte bieten uns ein Dreifaches, das uns heutige Menschen mit dem Lebenszeugnis und dem Lebenswerk von Abt Konrad und Lydia Roppolt verbindet.

Suchen – Sehnsucht – Sattwerden!

Als Mönch war Konrad Bosinlother stets ein suchender und ein stets sich nach Gott sehnender Mensch. Im Wort Gottes und in der Eucharistie fand er das Brot vom Himmel (Joh 6, 32), das Brot des Lebens (Joh 6, 35). Wie Abraham oder auch Benedikt von Nursia ist er aufgebrochen, um Gott zu suchen und zu finden. Auch Lydia fand in Gott Halt und ihre Zuversicht. Gott hat sie wie Jesus Sirach immer wieder aus vielen Nöten erlöst (Sir 51, 3). Lydia Roppolt war ihr ganzes Leben lang eine Sehnende und Suchende. Ihre unverwechselbare, künstlerisch-gestaltende Gabe hat sie eingesetzt, um ihr Sehnen und Sattwerden auszudrücken. Und sie hat damit unzähligen Menschen einen Weg zur Transzendenz aufgezeigt. Im heute gehörten Johannesevangelium ist uns Jesus nicht so sehr als der Wundertäter als vielmehr als der Verkünder des Reiches Gottes, der Zeichen setzt, begegnet. Viele bleiben bei der Bewunderung Jesu stehen und erkennen nicht das, worauf er mit den Zeichen hinweist. So ist es auch mit dem Brot des Lebens, das uns Gott in Jesus gegeben hat. Erst wenn es unser ganzes Leben durchdringt, wird es uns dauerhaft satt machen. Liebe Schwestern und Brüder, mir ist aufgefallen, dass weder das Lebenszeugnis eines Abtes Konrad im 12. Jahrhundert noch das Lebenswerk einer Lydia Roppolt im 20. Jahrhundert als abgeschlossen oder gar als „fertig“ bezeichnet werden kann. Da ist noch so viel Suchen und Sehnen drinnen, dass wir uns noch lange davon inspirieren lassen können. Konrad wie Lydia sind Zeichen, die auf eine höhere Transzendenz verweisen. So wie die Jünger Jesus suchten und ihn auch am anderen Ufer des Sees von Galiläa fanden, so inspirieren uns hier am Ufer des Mondsees das Lebensbeispiel des Abtes Konrad und das Lebenswerk von Lydia Roppolt. Bleiben wir also immer Suchende und Sehnende … damit unser großer Hunger und Durst nach Mehr, nach Größerem, nach Klarerem und Tieferen … ja nach Gott gestillt wird … und wir dadurch satt werden dürfen!

Amen.